Was ist und wozu NanoEthik? Ein Blogbeitrag von Prof. Dr. Ruth Hagengruber und Thomas Dasch, Universität Paderborn

Was ist Nanoethik und wozu dient sie? Die Risiken der Nanotechnologie werden vielfach diskutiert. Wir schreiben in unserem Blog über den Sinn und Zweck ethischer Überlegung in der Auseinandersetzung mit Nanotechnik.

Was bezeichnet man als Nanotechnologie? Gewöhnlich ist damit die Manipulation von Materialien in Größeneinheiten zwischen 1 und 100 Nanometern (nanomaterials) angesprochen, allerdings ist diese Definition national unterschiedlich, so bezeichnet die britische Regierung Nanomaterialien als Stoffe, die in einer oder zwei Dimensionen bis zu 200 Nanometer” groß sind, die Amerikaner dagegen zeichnen damit Partikel unter 1.000 Nanometer aus. Die Beschränkung auf 100 Nanometer ist durchaus fragwürdig, da Partikel bis zu einer Größe von einigen Hundert Nanometern nanospezifische Eigenschaften aufweisen können. (Mehr dazu finden Sie in: http://www.bund.net/themen_und_projekte/nanotechnologie/nanomaterialien/#c16111)

Entscheidend für uns ist die Tatsache, dass sich in bestimmten quantitativen Dimensionen neue Eigenschaftsspezifikationen ergeben, die hier kurz als Nanomaterial gekennzeichnet werden. Daran sind qualitative Bestimmungen gebunden, die neu sind und die daher die Beurteilung des neuen Materials in Hinblick auf die Verträglichkeit für den Menschen, für Lebewesen insgesamt und die gesamte Biosphäre in die Diskussion bringen. Ferner ist die Verwendung von  Nanomaterialien bereits durchaus etabliert. Sie werden in verschiedenen Forschungsgebieten, in der Physik, Chemie, Maschinenbau,  Elektrotechnik, Biologie und der Medizin untersucht und angewendet, so in den Bereichen Lebensmittel und Verpackungen, Küchen- und Haushaltsartikel, Kosmetika und Sonnenschutz, Textilien, Umwelttechnologien, Agro-Chemikalien und Medizin. (Siehe für weiterführende Informationen http://www.bund.net/themen_und_projekte/nanotechnologie/einsatzbereiche/).

Die Möglichkeiten, die uns die Nanotechnologien eröffnen, werden hoch eingeschätzt. Mikroskopisch kleine Datenspeicher können praktisch überall und kaum wahrnehmbar befestigt werden. Invasive medizinische Techniken eröffnen sich; diese Technik bietet eine Fülle von Optimierungsmöglichkeiten in der Diagnostik und Behandlung von Krankheiten. Gerade aber aufgrund der etablierten Erforschung von Nanomaterialien in der Medizin erwachsen auch die Befürchtungen, durch Nanomaterialien gesundheitlichen Risiken ausgesetzt zu sein. Die für uns Menschen nicht wahrnehmbare Absorbation aggressiver Substanzen und evtl. umweltschädliche Wirkungen von Nanomaterialien, z.B in Herstellung und Entsorgung beunruhigt die Menschen. Diese junge Wissenschaft kann erst wenige Studien aufweisen, die uns über mittel- und längerfristige Wirkungen aufklären. Zudem ergibt sich – wie dies ebenfalls stets mit neuen Wissenschaften und Technologien verbunden ist- eine Kluft zwischen Nutznießern und solchen, die noch nicht in den Genuss der Erfolge der neuen Technologie gekommen sind, ein ökonomisch-technisches Phänomen, das als “nanodivide“ bezeichnet wird.

Nanoethik

Warum und auf welcher Basis kann eine Nanoethik etwas beurteilen, was im wissenschaftlichen Sachverstand noch außerhalb des Wissenshorizontes steht? Klar ist, dass damit die ethische Auseinandersetzung mit Wirkungen und Folgen des Einsatzes von Nanotechnologien gemeint ist, wie aber soll das möglich sein? Zudem muss man dann auch zu Recht fragen dürfen, ob jeder Gegenstand und jede Technik die eigene Ethik fordert? Von der Ethik können wir nicht erwarten, dass sie Ergebnisse vorhersagt, die in der Forschung noch unbekannt sind. Was wir von ihr erwarten können, ist allerdings den komplexen Wust an Informationen zu ordnen, und dies zu zwei Zwecken und durch zwei Vorannahmen: Zum Einen, weil wir in der Ethik bestimmen, was wir wollen und zu welchen gesellschaftlichen Zwecken wir etwas gut heißen. Zum Anderen, weil wir in der Ethik bestimmen, wie wir das Gute vom Schlechten unterscheiden und wem das Gute und Bessere dienen soll.

Aus diesen Gründen wird es selbstverständlich, dass es Aufgabe der Ethiker ist, diese Untersuchung zur Risikoabschätzung einzufordern. In Gesellschaften, die durch Eigenvorteile bestimmt sind, auch in ihrer positiven Entwicklung, dient die gesellschaftliche Institution der Ethik dazu, das Bewusstsein des Technikers und jedes Mitglieds der Gesellschaft zu schulen, unser Wissen, unsere Forschungen und Techniken zugunsten dieses Besseren zu fördern. Die verschiedenen Anhaltspunkte, Nanoteilchen könnten Krebs und andere Erkrankungen auslösen, muss belegt oder widerlegt werden, Gefahren müssen öffentlich und transparent artikuliert werden und schließlich beseitigt werden. Notwendig sind Untersuchungen über den Verbleib und die Veränderung der Teilchen und notwendig ist es, die technisch möglichen Veränderungen an Menschen und anderen Lebewesen kritisch im Blick zu behalten, zu kommunizieren und aufzuklären.

Die “traditionellen“ ethischen Überzeugungen und Werte sind notwendig um Wissenschaft gut zu machen und sie zu verbessern. Was wir als ethische Grundsätze bezeichnen ist nichts anderes als das öffentliche Bewusstsein aufgeklärter Gesellschaften, Wissenschaft und Technik zum Wohle der Menschen und der Welt zu entwickeln, Schäden abzuhalten und dem eventuellen Eigensinn von Machern entgegen zu treten. Nanoethik ist dazu da, um aus der Perspektive des Erhalts und der Nachhaltigkeit das neue Forschungsgebiet in seiner Wirkung zu begleiten, zu informieren, und die Ergebnisse im Hinblick auf das Wohl einer Gesellschaft auszuwerten. Ethik ist in diesem Falle ein Werkzeug, um eine hohe Komplexität von Informationen in kleinere Teile herunter zu brechen. Hier gilt es, die Prinzipien schützenswerter Bereiche zu definieren und aus dieser Perspektive gewünschte und unerwünschte Wirkung auszudifferenzieren. Wegen dieser Ausdifferenzierung ist Nanoethik in diesem Sinne auch Forschungsmotivator.

Die ethische Herangehensweise als aufklärender Modus ist im Hinblick auf die Nanotechnologie umso mehr erforderlich, als in unserem Alltag ihre Resultate und Gegenstände nicht als solche sofort ersichtlich sind. Wir können Nanotechnologie nicht mit unseren Sinnen wahrnehmen, sondern allenfalls Eigenschaften von Materialien, die nanotechnologisch hergestellt wurden. Die Eigenschaft, beispielsweise besonders wasserabweisend zu sein,  ist nicht orginär nanotechnologisch. Indirekt fließt die Nanotechnologie in diverse Produkttechnologien mit ein und verändert diese, beispielsweise ihre Leistungsfähigkeit, den Stromverbrauch und die Effizienz von Prozessoren. Zukünftig könnte sich der Alltag allerdings erheblich durch Nanotechnologie verändern, so z.B. wenn sie auf den Menschen  im Sinne einer physischen Optimierung Einfluss erhält, beispielsweise beim Austausch von Blutkörperchen im Sinne von leistungsfähigeren nanotechnologisch hergestellten Produkten und anderem mehr.

Die Chancen, die sich aus dieser Technologie ergeben, stellen eine potentielle Erweiterung der Lebensqualität dar und zugleich sind damit – wie mit jeder technischen Erfindung – große Gefahren verbunden. Entscheidend sind Absichten und der Wille zur Transparenz und Aufklärung. Dafür sind die Mechanismen der ethisch-sozialen Reflexion zuständig. Es ist unmöglich, dass Techniken heute, wie ehedem früher und in totalitären Systemen, von den Menschen in ihren positiven wie negativen Wirkungen fern gehalten werden. Nanoethik versteht sich also wie jede Ethik als Beitrag zur Integration von Wissenschaft in die Gesellschaft, mit dem Ziel, das Beste der Wissenschaft für die Gesellschaft zu bewerkstelligen. Die Nanoethik bietet hierfür eine neue Herausforderung. Es gibt viele gute Argumente für Nanotechnologien, sie versprechen, ressourcenschonend zu sein und können so einem global einen breiteren Wohlstand zuträglich sein. Nanotechnologie stellt einen wichtigen Teil neuer Umwelttechnologien dar und dient damit, Umwelt zu schützen. Die Aufgabe der Nanoethiker besteht darin, alle Beteiligten einer aufgeklärten Gesellschaft über diese Wissenschaft so schnell, so gut, und so ausführlich und umfassend wie möglich zu informieren, um das bessere Leben dank besseren Wissenschaften zu fördern.